Gesetzliche Krankenversicherung will Beitragsautonomie zurück

Der Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigt sich im Moment ausschließlich am Kriterium Zusatzbeitrag. Dabei kehren vor allem Hartz-IV-Empfänger und junge Versicherte den Kassen den Rücken zu, welche den Zusatzbeitrag von 8 Euro im Monat verlangen. Es wird von 400.000 Kassenwechslern gesprochen.


Zu Beginn der zweitägigen Konferenz in Berlin von der Financial Times Deutschland (FTD) unter dem Thema „Wachsen in der Krise: Wie sich der Gesundheitsmarkt in der Wirtschaftsflaute verändert“ hatte sich Annette Widmann-Mauz (CDU), die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), optimistisch geäußert, dass sich die eigens aus acht Ministerien gebildete Regierungskommission auf neue Finanzierungsmöglichkeiten in der GKV einigen werde.

Die Erklärung von Philipp Rösler, Gesundheitsminister (FDP) und Hermann Gröhe, CDU-Generalsekretär, sei Indiz dafür, dass „wir zu einer guten Lösung kommen werden“. Beide sagten einer Prämienzahlung pro Kopf in der GKV ab und plädierten für ein Prämienmodel, wobei die Krankenkassen selbst über die Prämienhöhe entscheiden dürfen.


Kassen schieben Schuld am Zusatzbeitrags-Desaster auf Politik


Der Wettbewerb in der GKV werde nur scheinbar mit dem Zusatzbeitrag beeinflusst, erklärte Birgit Fischer, die Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK. Die Politik hätte die Bürger auf Zusatzbeiträge vorbereiten sollen.

Aber Stattdessen würden Kassen, die den Beitrag verlangen, von der Politik kritisiert. Die Barmer GEK mit ca. 8,6 Millionen Mitgliedern als mitgliederstärkste Krankenkasse hat zum Beispiel keinen Zusatzbeitrag erhoben.

Professor Dr. Herbert Rebscher, der Chef des DAK, bezeichnete die Folgen der von der CDU/CSU und SPD verabschiedeten Gesundheitsreform als „grotesken Fehler“ der Sozialpolitik.
Auf Grund der ausgelösten Kündigungswelle durch die Zusatzbeiträge würde dem gesamten System Geld entzogen. Die DAK zum Beispiel erhebt seit dem 1. Februar den Zusatzbeitrag.

Dr. Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern erklärte: „der Zusatzbeitrag sei kein zufälliger Betriebsunfall“. Auf dem Weg zu einer Kopfpauschale oder ähnlichen Regelung habe die Politik „klar kalkuliert“. Dagegen sei der Zusatzbeitrag für Widmann-Mauz ein wichtiges Instrument zu mehr Kostenbewusstsein.


Neue Dimension – Gesetzliche Krankenkassen

Derzeit sei an eine Neuakquisition von Versicherten nicht zu denken. Helmut Wasserfuhr, Vorstand der Gemeinsamen Betriebskrankenkasse Köln (GBK) sagte: „Das Geschäft ruht“. Die GBK hatte als erste den Zuschlag erhoben und seit dem 1. Januar 2010 die höchstmögliche 1%ige Beitragserhöhung auf 15,9 % entschieden. Wenn jetzt die Rede von 400.000 Wechslern im gesamten GKV-System sei, dann sei eine ganz neue Dimension erreicht worden.

Wasserfuhr, in dessen GBK nach der ersten Anhebung 5 % Kündigungen und bei der zweiten sogar weitere 10 % als Reaktion eingesandt wurden, sagte: „Das Thema Zusatzbeitrag ist negativ politisiert worden. Jetzt gilt es, die verbliebenen 35.000 Mitglieder durch die besondere Ortsnähe weiter an sich zu binden.“

Rebscher sagte: „Fakten wie Leistung, Qualität oder Service interessieren keinen Menschen mehr.“
Die Kranken wechselten nicht wegen 8 Euro, allerdings die Arbeitslosen und gesunde Menschen. Die ca. 6,3 Millionen Mitglieder starke DAK habe in letzter Zeit 60.000 Neumitglieder gewinnen können, aber auch „einige mehr verloren“, sagte Rebscher, ohne Zahlen nennen zu wollen.


Kassen wollen Beitragsautonomie zurück


Dass auf der Wunschliste der Kassenvorstände die Rückkehr zur Beitragsautonomie weit oben steht, ist kein Wunder. Rebscher sagte: „Hinzu müsse ein faires Ausgleichssystem (Morbi-RSA) kommen.“

„Wenn möglichst viele der noch gut 160 Krankenkassen schnell mit dem Zusatzbeitrag nachziehen würden, würde sich die Lage wieder beruhigen“ meint GBK-Chef Wasserfuhr.

Rebscher, der von zu erwartenden Defiziten in Höhe von 12 Milliarden Euro sprach, sagte: „Und im nächsten halben Jahr muss die Politik über die (GKV-) Finanzen 2011 entscheiden“. Der Regierungskommission steht viel Arbeit ins Haus, die kommende Woche zum 2. Mal tagen wird…

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