Präsident der Ärztekammer verteidigt duales Krankenversicherungssystem

Damit die PKV überleben kann, muss sie sich reformieren.Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, verteidigt das duale System, das von den gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen getragen wird. Ausschließen will er jedoch nicht, dass auf beiden Seiten auch Versicherungen im Gesundheitswesen in die Pleite steuern können.

PKV im Gespräch

Der Ärztetag wird in Mitte Mai in Nürnberg über die Finanzierung der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung diskutieren. Beide Systeme seien reformbedürftig, so Frank Ulrich Montgomery in einem Interview mit Welt Online. Welt online fragte Herrn Montgomery, ob er erkennen könne, dass die Koalition einen Systemwechsel im Bereich der Finanzierung der GKVs eingeleitet hat, wie sie zu Beginn ihrer Regierung versprochen hatte. Der Systemwechsel sei, so Frank Ulrich Montgomery, eingeleitet worden mit dem einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent für die gesetzlichen Krankenkassen. Eine Finanzierung bei Steigerung der Ausgaben werde über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge im Griff gehalten. Für Welt Online ist das jedoch kein Systemwechsel. Hier stimmte Montgomery zu. Die Zusatzbeiträge, so der Präsident der Bundesärztekammer, sind kein reines Prämienmodell; dieser Punkt war zwar innerhalb der Koalition diskutiert worden, jedoch fand er keine Mehrheit. Es kann jedoch als Einstieg bewertet werden.Welt Online hakte hier nach und fragte, warum dies nur als Einstieg bewertet werden kann. Auch darauf hat Montgomery eine Antwort. Derzeit haben die gesetzlichen Krankenkassen genug Geld, sodass sich die Politik in der nahen Zukunft über eine Finanzierung oder ein Prämienmodell keine Gedanken machen wird. Politisch gesehen ist es so, dass in der Politik nur kurz- oder mittelfristig gehandelt wird. Es wird keine Regierung grundlegende Reformen riskieren, wenn es nicht unbedingt sein muss. Doch ist es sicher, dass auch beim Gesundheitssystem eine Änderung der Finanzierung erfolgen muss.

 

Ist die derzeitige Mischung, so fragte Welt Online nach, die aus lohnabhängigen Beiträgen und Steuern besteht, in der Zukunft nicht mehr machbar?

 
Montgomery antwortete darauf wie folgt: Derzeit haben wir fast wieder Vollbeschäftigung. Das heißt, dass das Umlagesystem funktioniert. Wie die Zukunft aussieht, ist fraglich. Drei Beitragszahler, die arbeiten, finanzieren heute schon einen Versicherten, der Leistungen von der Krankenversicherung empfängt. Durch die niedrigen Geburtenraten der vergangenen Jahre wird das Verhältnis in etwa 30 Jahren anders sein. Dann könnte durchaus der Fall eintreten, dass ein arbeitender Beitragszahler einen Versicherten, der Leistungen empfängt, finanzieren muss. Jeder Leistungsempfänger kann sich dann also seinen höchstpersönlichen arbeitenden Versicherten aussuchen! Für Welt Online ist diese Erkenntnis nicht neu und fragt nach. Bisher haben sich die Ärzte immer zurückgehalten und keine eigenen Vorschläge gemacht. Sagen Sie uns, wie die dieses Thema angehen wollen beim Ärztetag in Nürnberg. Die Debatte, so Montgomery, über langfristig angelegte Veränderungen sei dringend und notwendig. Politisch doch derzeit sehr problematisch und damit schwierig. Wir werden uns Gedanken machen, wie trotz immer weniger Ressourcen die Qualität des bestehenden Gesundheitssystems konstant gehalten werden kann. Damit dies gelingt, wird der Wettbewerb zwischen der GKV und PKV gebraucht. Hier garantiert ein umfangreicher Katalog Leistungen, die positiv für alle Patienten sind. Montgomery warnte ausdrücklich davor, das duale System zu ändern. Welt Online fragt nach: Herr Montgomery ist es also richtig, dass Sie gegen eine Bürgerversicherung sind. Diese wird von SPD und Bündnis90/DieGrünen gefordert und früher oder später darauf hinauslaufen, dass die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und die privaten Krankenversicherungen (PKV) fusionieren müssen.

 
Montgomery hält eine Bürgerversicherung nicht für umsetzbar. Jedenfalls keine, die die PKV abschaffen will. Einer verfassungsrechtlichen Überprüfung hat bisher kein bekanntes Modell standgehalten. Es ist zum Beispiel ein Eingriff, der einer Enteignung gleicht, wenn alle Einkommen in die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge fließen würden. Zum Finanzamt dürften die Krankenkassen nicht werden.

 
Die PKV, so Welt Online hat bisher als Vorbild gegolten. Derzeit hat sie jedoch mit sinkenden Erträgen aus den Kapitalrücklagen zu kämpfen, Von Verbraucherschützer werden die steigenden Prämien heftig kritisiert. Jetzt will die PKV ihre Ausgaben begrenzen, insbesondere im Bereich der Ärztehonorare.

 

Ist das für die PKV zukunftsfähig?

 
Grundsätzlich ist die PKV zukunftsfähig, so Montgomery. Doch wie bei allen anderen Brachen gibt es gesunde private Krankenversicherungsgesellschaften und andere, die mit Problemen zu kämpfen haben. Dies ist jedoch kein Systemfehler, sondern liege bei den einzelnen Versicherungsgesellschaften und ihrer Wirtschaftspolitik. Dieses Problem ist nicht hausgemacht, denn auch bei den gesetzlichen Krankenkassen stehen nicht alle gut da. Die Kritik bezüglich der explosiv ansteigende Beiträge bei Privatversicherern ist nicht berechtigt, denn extreme Prämienerhöhungen wurden von den Gesellschaften vorgenommen, die mit viel zu niedrigen Beiträgen neue Kunden geködert haben, was er als unseriös empfindet. Nicht nur die Versicherer haben unseriös gehandelt, denn auch die Kunden sollten sich fragen, ob die Erwartungen bei derart niedrigen Beiträgen nicht wirklich realistisch waren.

 

Was folgt daraus, so die Frage von Welt Online?

 
Montgomery antwortet: Gerade die privaten Krankenversicherungen müssen erkennen, dass eine Marktbereinigung unabdingbar ist, denn auch die Privatversicherer stehen nicht alleine, sondern im Wettbewerb. Zum Wettbewerb gehört nun einmal, dass nicht lebensfähige Unternehmen auf dem Markt nichts zu suchen haben und verschwinden. Die Ursachen können sein z. B. ein Insolvenzantrag, eine Pleite oder anderes. Derzeit ist es so, das die PKV um ihre Kosten zu senken, nachdrücklich und laut nach staatlicher Hilfe ruft, was anrührend ist. Die PKV will, wenn es für sie nützlich ist, eine Gleichbehandlung wie die GKV und will z. B. eine Gesundheitskarte oder Arzneimittelrabatte, damit die Gewährung von Sachleistungen garantiert werden kann.

 

Begrenzung von Maklerprovisionen? Hakt Welt Online nach

 
Montgomery lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Seine Antwort ist die, dass es sich hierbei auch um ein schönes Beispiel handeln würde. Er begrüße diesen Schutz aus gesundheitspolitischen Gründen. Jedoch finde er es völlig absurd, dass sich die PKV gegen ihre eigenen Makler nur mit einem Gesetz schützen kann. Er warnte die PKV eindringlich vor einer Angleichung mit den gesetzlichen Krankenkassen. An einer leistungsfähigen privaten Krankenversicherung haben vor allen Dingen wir als Ärzte ein großes Interesse, denn ohne die PKV währen viele Therapien und neue Formen der Diagnostik nicht vorhanden – jedenfalls nicht für alle Patienten, die jetzt davon profitieren. Dadurch, dass die PKV diese Dinge schnell genehmigt, werden die gesetzlichen Krankenkassen nur allzu oft in Zugzwang, gesetzt. Das Ergebnis ist dann das, dass sie der PLV folgen und somit auch die Versicherten der GKV noch den Innovationen profitieren. Welt Online fragt weiter: Derzeit steht der Vorwurf der PKV im Raum, dass die Ärzte die privaten Krankenversicherungen schröpfen würden, was bedeutet, dass Privatpatienten übermäßig häufig untersucht werden würden und zu viele Leistungen bekämen. Dagegen verwehrt sich Montgomery. Das sei nicht richtig und stimmt auch nicht. Fakt ist doch, dass jährlich mehrere Zehntausend Versicherte den gesetzlichen Krankenkassen den Rücken kehren und zu den privaten Krankenversicherungen wechseln. Es ist also kein Geheimnis, dass die PKV wächst. Fakt ist auch, dass die Versicherten der PKV älter werden. Wenn man sich das vor Augen hält, ist eine Steigerung der Ausgaben für die Leistungen, die die Ärzte erbringen, von knapp fünf Prozent jährlich nicht viel.

 
Die Höhe der Provisionen, die die Makler von der PKV jährlich erhalten, hält Frank-Ulrich Montgomery für dramatisch. Die Höhe der jährlich ausbezahlten Provisionen beträgt etwa 2,7 Milliarden Euro. Dieser Betrag ist nur halb so hoch, wie die PKV für die Arztleistungen ausgibt. Sicher ist das viel Geld und genau bei den Maklerprovisionen muss die PKV sparen. Es ist allerdings ein Armutszeugnis, das sie dafür den Staat und die gesetzliche Hilfe der Regierung in Anspruch nehmen muss. Sie könnten der PKV beim Sparen helfen, so Welt Online. Immerhin wird derzeit über eine neue Gebührenordnung von beiden Seiten verhandelt. Wie weit sind diese gediehen? Montgomery gibt daraufhin zur Antwort, dass es sich hierbei um ein hochkomplexes Thema handelt. Derzeit wird mit einer Gebührenordnung gerechnet, die auf einer gemeinsamen Kalkulationsbasis aufgebaut werden kann. Sicher ist jedenfalls, dass keine neue Gebührenordnung in dieser Wahlperiode in Kraft treten wird. Ein gemeinsamer Entwurf soll noch in diesem Jahr präsentiert werden. Es soll ein Entwurf sein, der die Akzeptanz jeder Regierung finden soll und keine mehr an ihm vorbeikommt. Die Frage von Welt Online ist, ob die Versicherungen direkt mit Ärzten über deren Preise verhandeln sollen und damit von der Gebührenordnung abweichen, damit sie Geld sparen können? Montgomery entgegnet, dass es in der neuen Gebührenordnung für Zahnärzte keine Öffnungsklausel gibt und diese auch definitiv nicht gebraucht wird.

 
Welt Online fragt, ob er es als einen Konflikt ansehen würde, dass einerseits für die PKV, wie auch für andere Unternehmen, die Marktgesetze gelten, die PKV aber eine soziale Verantwortung als Krankenversicherer habe. Bislang können sich schwer kranke Menschen faktisch nicht privat versichern und auch schwangere Frauen haben bei der privaten Versicherung keine Chance. Montgomery hält es für problematisch, dass oft hohe Risikozuschläge auf die Beiträge für kranke Menschen dazukommen, wenn sie sich bei einer privaten Krankenversicherung versichern wollen. Über die Thematik, inwieweit solche Risikozuschläge zu vertreten sind, müsse man reden. Eine Frau während ihrer Schwangerschaft als Kundin abzulehnen entspricht nicht dem Geschäftsmodell der PKV. Es ist auch nicht das Geschäftsmodell der PKV, wenn sie diese Frau erst dann als Kundin nimmt, wenn das Kind gesund geboren ist. Es gäbe keinen Grund dafür, dass so gehandelt wird. Es müsste auch für die PKV einen Kontrahierungszwang geben. Über die Thematik, wie die PKV mit ihrer sozialen Verantwortung umgeht und dieser gerecht wird, muss sie sich Gedanken machen.

 

Welt Online fragt nach, ob die Branche ihre Reformen selbst in den Griff bekommt

 
Hier ist Montgomery sehr zuversichtlich, denn er würde mit vielen Managern der PKVs Gespräche führen und er denke, dass die Branche es alleine schafft. Natürlich gibt es auch bei den PKVs Unternehmen, die mit allen Mitteln ums Überleben kämpfen. Hilfreich wäre hier eine ordnende Hand, z. B. vom PKV-Verband, auch wenn er nur unterstützend und beratend Einfluss nehmen kann. Derzeit muss die PKV etwas tun, denn einerseits wird die Luft für sie immer dünner. Es müssen Reformen gemacht werden, damit das Geschäftsmodell PKV nicht infrage gestellt werden kann.

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